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OLG München: Verjährung des Vindikationsanspruchs



OLG München: Verjährung des Vindikationsanspruchs

Über die Verjährung der Ansprüche auf Übertragung der Anmeldung und des Patents entschied das OLG München mit umfangreicher Leitsatzentscheidung. Eine Entscheidung mit hoher Praxisrelevanz, denn in der Sache ging es um eine Vindikationsklage gegen eine Teilanmeldung aus einer Europäischen Stammanmeldung.

Das Streitpatent (der deutsche Teil des europäischen Patents … 462 B1 / DE … 895) betrifft ein „Instrument und ein Verfahren zur automatisierten Wärmebehandlung von Flüssigkeitsproben“. Für ein Projekt zur Verbesserung von Echtzeit-PCR Geräten (Polymerase-Kettenreaktion (PCR) für in-vitro Vervielfältigung von Erbsubstanz ( DNA )) hatten die Streitparteien von Mai 2004 an zusammengearbeitet, allerdings wurde die Zusammenarbeit im Jahr 2009 beendet.

Die Klägerin hatte im Januar 2009 eine eigene US-Patentanmeldung eingereicht, auf deren Priorität hin sie 2010 eine PCT-Anmeldung und ein deutsches Gebrauchsmuster einreichte. Die Beklagte reichte ihrerseits im November 2010 eine Stammanmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA) ein, die im Juni 2012 veröffentlicht wurde.

Zur Streitfrage wurde die Situation im Jahr 2013, durch eine Teilanmeldung aus der Stammanmeldung.

• 3. April 2013: Die Beklagte macht eine Teilanmeldung (das Streitpatent), die auf der Stammanmeldung von Nov. 2010 beruht.
• 4. Juli 2013: Die Klägerin macht schriftlich über ihren anwaltlichen Bevollmächtigten eine angebliche Verletzung Ihrer IP Rechte geltend durch das Streitpatent
• 17. Juli 2013: Streitpatent wird offengelegt
• 09. Februar 2017: Die Klägerin erhebt Vindikationsklage und beantragt damit die Übertragung der IP Rechte an dem Streitpatent

Mit Urteil vom 17.04.2019 hatte das erstinstanzliche Landgericht München zwar die Klage auf Übertragung der Patentrechte abgewiesen (Az.: 21 O 2247/17), jedoch dem Antrag auf Auskunftsansprüche und den Feststellungsantrag stattgegeben. Nicht verwunderlich also, dass gegen dieses Urteil beide Parteien klagten.

Verjährung des Vindikationsanspruchs


Die Klägerin argumentierte, die Einrede der Verjährung der Beklagten sei nicht zuzulassen, weil sie erst in zweiter Instanz erhoben worden ist und dies auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruhe (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

Das OLG München wies dies zurück mit einer Leitsatzentscheidung:

„Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (im Anschluss an BGH, NJW 2008, 3434).
Für Ansprüche nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) gilt – mangels Sonderregelung – die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB.“
(Zitat aus den Leitsätzen 1 und 2).

Die dreijährige Verjährungsfrist begann im Streitfall mit Schluss des Jahres 2013 zu laufen, erläuterte das OLG München, und lief daher am 31.12.2016 ab. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war der Anspruch damit bereits verjährt.

Auch eine Verjährungsfrist von zehn Jahren (nach § 852 Satz 2 BGB) wurde vor dem OLG München diskutiert. Im vorliegenden Fall treffe das aber nicht zu, entschied das Gericht. Denn eine 10jährige Verjährungsfrist komme nur dann zur Anwendung, wenn der Anspruch als Sonderdeliktsrecht zu qualifizieren wäre. Und das ist nach Ansicht des OLG München vorliegend ausgeschlossen, schon weil Schadensersatzansprüche im deutschen Deliktsrecht regelmäßig an ein Verschulden oder zumindest ein allgemein gefährliches Verhalten (Gefährdungshaftung) anknüpfen.

Die Verjährungsfrist beginnt laut Rechtsprechung mit der Kenntnis (bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis) des Gläubigers von der Anmeldung des Patents. Im Falle einer Teilanmeldung – wie im vorliegenden Fall - ist auf die Anmeldung des Stammpatents abzustellen und nicht auf die spätere Teilanmeldung (siehe Leitsatz 5; auch 21 O 6020/18, GRUR-RS 2019, 35020 – Detektion einer Sicherheitsmarkierung)).

Und auch wenn das Patent inzwischen erteilt ist, richtet sich eine dann erhobene Vindikationsklage nicht auf das Patent, sondern vielmehr auf die Patentanmeldung zu diesem Patent – denn der Anspruch auf Abtretung des IP Rechts ist bereits mit der Patentanmeldung entstanden (siehe Leitsatz 3). Durch die Patenterteilung beginnt keine neue Verjährungsfrist zu laufen.

Vindikationsanspruch - Stammanmeldung und Teilanmeldung identisch


Der Vindikationsanspruch gemäß Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bezieht sich nach Wortlaut auf die Erfindung („dessen Erfindung“). Gemeint ist damit die tatsächliche Erfindung („in Gestalt und Umfang“), wie sie in der ursprünglichen Anmeldung insgesamt konkretisiert wurde.
Und da eine Teilanmeldung nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen darf, sind die Stammanmeldung und die Teilanmeldung in Bezug auf die Erfindung identisch (siehe die Leitsätze 5 und 6 der vorliegenden Entscheidung).

Patentvindikation nicht vergleichbar mit dringlichem Recht


Das OLG München erklärte, dass die Konstellation im Rahmen des Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bzw. § 8. Satz 1 und 2 PatG nicht vergleichbar sei mit einem Herausgabeanspruch aus Eigentum oder einem sonstigen dinglichen Recht. Die Anmeldung durch den Nichtberechtigten stelle sich demnach nicht als eine Besitzergreifung an der Erfindung, sondern als eine bestimmte Art der Nutzung der Erfindung dar (siehe Leitsatz 4).

Das OLG München fasste dies zu der Feststellung zusammen, dass das Schwergewicht der wirtschaftlich relevanten Befugnisse im Verhältnis nach § 8 PatG bzw. Art. II § 5 IntPatÜG beim „Patentbesitzer“, im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis dagegen beim Eigentümer liegt (so bereits Tilmann, GRUR 1982, 98).
Selbst wenn man grundsätzlich von einer Vergleichbarkeit der „Patentvindikation“ mit dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ausgehen wollte, fehle es jedenfalls speziell in Bezug auf die Verjährungsfrage an einer vergleichbaren Interessenlage. Denn da die Laufzeit eines Patents auf 20 Jahre ab der Anmeldung beschränkt ist, kann die Situation, dass „Eigentum am Patent“ und „Besitz am Patent“ dauerhaft auseinanderfallen, von vornherein nicht eintreten.

Das OLG München gab daher der Berufung der Beklagten statt und änderte das Endurteil des LG München I dahin, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird (OLG München, Urteil 6 U 2665/19).
Auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des behaupteten Rechts an der Erfindung aus Art. 60 Abs. 1 Satz 1 EPÜ als „sonstiges Recht“ durch die Patentanmeldung ist laut OLG München ebenfalls verjährt. Die Klägerin hätte ab Zeitpunkt der Kenntnis von der Stammanmeldung eine Feststellungsklage erheben können.

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